Neandertaler trifft Neuzeit oder what about Roland Düringer

 

Roland Düringer. Schauspieler und Kabarettist. Seit seiner Wutbürger Rede und der Veröffentlichung seines Videotagebuchs erscheint es mir, als teilt sich das Land in verschiedene Gruppen. Die einen feiern ihn als Helden, einige nennen ihn weltfremd, manche Stimmen zufolge versucht er sich jetzt als Philosoph und wieder andere haben keine Ahnung, um wen es eigentlich geht. Ich versuche Distanz zu wahren und mich aufs Wesentliche zu konzentrieren, dem Unterhaltungswert.

 

Brot und Spiele – panem et circenses – galt bereits im alten Rom als Formel der Macht. Als Methode, die Gunst des Volkes zu sichern. Neben der Versorgung mit Nahrungsmittel als wichtige Grundlage, sorgten öffentliche Spiele und Theateraufführungen für Abwechslung vom Alltag beim einfachen Volk.

 

In der Kulturwerkstatt Hirschbach erhalte ich Gelegenheit mich unter das einfache Volk zu mischen und Rolands aktuellem Programm „Weltfremd“ beizuwohnen.

 

20h. Ring. Ring. Signal für alle Anwesenden sich auf ihre Plätze zu gegeben. Das Licht wird gedimmt, Roland wird begrüßt und schon heißt es: Bühne frei!

 

Nach anfänglichem Smalltalk und technischen „Specials“, Stichwort: Eislutscher, legt Roland mit der Frage los:

 

„Finden Sie, dass ich weltfremd bin?“

 

Ich überlege kurz. Aussehen tut er so normal wie eh und je, etwas Rotes baumelt im Bart. Reden tut er wie immer. Für Unterhaltung sorgt er auch, die Dame neben mir krümmt sich bereits vor Lachen und wenn ich einen Blick in seinen gefüllten Tourneekalender werfe, kann ich davon ausgehen, dass ihm nicht viel Zeit bleibt, um weltfremd zu sein. Also nein!

 

Ah jetzt bin ich wieder ganz Ohr. Der von Roland hochgeschätzte Neandertaler kommt ins Spiel.

 

 „Warum hatte der Neandertaler die Zeit, und wir haben die Uhren?“

 lautet die nächste Frage.

 

Gute Frage! Der kann ich auf den Grund gehen. Ich rufe Doc Brown und Marty McFly zu Hilfe und bitte die beiden, ihren DeLorean anzustarten und mir einen Neandertaler vorbeizubringen.

 

Gesagt. Getan. Willi, so nenne ich ihn, wird von den beiden, auf einer Wiese nahe meines Aufenthaltsortes abgesetzt. Er ist ein blass um die Nase, vermutlich von der Reise, taumelt noch ein wenig vor sich hin, kommt plötzlich vor mir zum Stillstand.

 

Ich begrüße ihn mit einem Sack Walnüsse in der Hand. Meine Frühstücksration für die nächsten Tage. Ich benütze einen Hammer zum aufknacken, Willi seine Faust. Es scheint ihm Spaß zu machen. Die Schalen fliegen munter durch die Luft. Danke Willi!

 

Weiter geht’s. Gemüseanbau steht auf dem Programm. Seine Hände sind ein wenig massiv für diese feinmotorische Tätigkeit. Ich überlege. Kratze mich am Kopf. Na gut, widme ich mich eben selbst den zukünftigen Schösslingen. Willi drücke ich eine Schaufel in die Hand und zeige vor, wie schön es sein kann, den Komposthaufen umzugraben. Fasziniert von der Schaufel legt er sofort los. Die Erde fliegt durch die Luft. Ein paar Regenwürmer ebenso.

 

Willi gräbt immer noch den Komposthaufen um, als ich mit einem Teller Kartoffel samt Bärlauchsauce und Löwenzahnsalat wieder auftauche. Er begutachtet, schnüffelt, langt gierig zu, grunzt freudig vor sich hin.

 

Ich habe eine Erledigung zu machen, lade Willi ein, mitzukommen, deute auf mein Auto. Als er es sieht, winkt er ab, schüttelt hastig den Kopf. Ich verstehe, er hat noch genug von der Reise. Ich zeige ihm den Weg in den Wald und brause davon. Als ich wiederkomme, liegt ein Wildschwein vor meiner Haustür. Aha, Willi war auf der Jagd. Wie gut, dass er weiß, was nun zu tun ist.

 

Die Frage nach der Uhr und der Zeit verkneife ich mir. Willi hat jetzt Wichtiges zu tun. Wie den ganzen Tag schon. Ein richtig angenehmer Zeitgenosse ist er, kein Reden, kein Trödeln, ein flinker Bursche.

 

Roland sagt, für den Verstand sei es anstrengend einfach zu leben. Und langweilig sei es obendrein. Der Neandertaler wird immer wieder erwähnt.

 

Jetzt ist der Willi weg, Doc und Marty haben ihn hoffentlich wohlbehalten zurückgebracht. Mit ein wenig Glück sitzt er schon am Lagerfeuer mit seiner Sippe. Auch der Roland ist weg, steht wahrscheinlich auf der nächsten Bühne. Ich blicke zurück auf das einfache Leben, das Willi und ich ein paar Stunden lang geteilt haben. Richtig schön war es! Keine Spur von Langeweile. Der Staat verteilt keine Nahrungsmittel, also kümmern wir uns selbst darum. Selbstversorgung. Anstrengend ja, aber weniger fürs Gehirn, mehr für die Gliedmaßen.

 

Finde ich, dass Roland Düringer weltfremd ist? Immer noch nicht. Nicht mehr als ich, die ich meinen freien Tag mit Neandertaler Willi verbracht habe.

 

Fazit: Rolands „Ich – Einleben“, „Wir – Ein Umstand“, „Ich – allein?“ Reihe ist ein unterhaltsames künstlerisches Projekt. In „Weltfremd“ fasst er die Inhalte zusammen, bringt auf den Punkt, die Quintessenz sozusagen. Kabarettist und Philosoph geht das? Wenn so die moderne Philosophie klingt, dann ist sie gespickt mit Schmäh und gezielter Konfrontation. Die Dame neben mir begleitet Roland mit herzhaftem Gelächter durch den ganzen Abend. Die unbequemen Fragen verzeiht sie ihm. Willi und ich gratulieren. Unterhaltung fürs Volk geglückt!

  

Wenn du mehr über Roland erfahren willst, oder dir Karten sichern willst, schau auf seine Homepage www.dueringer.at und www.gueltigestimme.at

 

Für alle Leseratten empfiehlt sich die Lektüre von „Weltfremd?“ erschienen in der Edition a.